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Rhein-Hunsrück-Zeitung vom 13.04.2004

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Hunsrück stärkt Weltekes Rücken

Bundesbankpräsident stand bei Dämmerschoppen in Alterkülz Rede und Antwort - Keine offizielle Rücktrittsforderung erhalten

Der Bundesbankpräsident zu Gast in Alterkülz? Für die Einheimischen nichts Besonderes. Schließlich stammt die Ehefrau von Ernst Welteke, Bettina Wieß, aus dem Hunsrückort. Der jüngste Osterbesuch sorgte allerdings für ungewohnten Auftrieb von Besuchern, einigen Journalisten und mindestens ebenso vielen Sicherheitskräften.

ALTERKÜLZ. Ein "politischer Dämmerschoppen", den der SPD-Ortsverein Kastellaun schon vor mehr als sechs Wochen terminiert hatte, stand auf dem Programm. Besonderheit: Als Redner war Bundesbankpräsident Ernst Welteke vorgesehen. Und der 61-Jährige kam trotz oder gerade wegen der sogenannten "Adlon- Affäre" in den Hunsrück. Statt wie geplant im Gasthaus "Zur Post" wurde die Veranstaltung ob des großen Besucherinteresses kurzerhand ins Gemeindehaus verlegt, wo Ortsbürgermeister Horst Peuter den Bundesbankpräsidenten begrüßte.

Peuter verwies stolz auf die Geschichte des Alterkülzer Gemeindehauses, in dem schon prominente Redner anlässlich der großen Demonstrationen gegen die Pydna und die dort stationierten Atomraketen aufgetreten seien. Der Dämmerschoppen-Termin sei schon lange abgestimmt, "jetzt haben uns die Ereignisse eingeholt, nicht überholt". Michael Gockel, der als Vorsitzender des SPD-Ortsvereins die Veranstaltung moderierte, wies ausdrücklich darauf hin, dass der Bundesbankpräsident auf alle Fragen antworten wolle, nur persönliche Meinungsäußerungen sollten in der Diskussion unterbleiben. Die waren dann doch zu hören - aber durchweg positiver Natur für den Bundesbankpräsidenten: "Sie müssen den Rücken durchdrücken", "das stehst Du durch Ernst" oder "Sie sollten im Amt bleiben . . ." Die Redebeiträge waren Balsam für die Bundesbankpräsidenten-Seele.

Dann der Fachvortrag von Ernst Welteke: Die Wirtschaft in Europa sei noch nicht in durchgreifender Bewegung. Statt dessen gebe es im fernen China Wachstum von neun Prozent. Ähnliche Steigerungen seien in Indien zu hören. So ist denn auch die Globalisierung ("sie lässt sich weder stoppen noch zurückdrehen") für Welteke ein wichtiges Thema. Mit Selbstironie ließ er immer wieder das aktuelle Thema "Hotelkosten" einfließen. "Wir waren vor einiger Zeit - auf private Kosten - in Sri Lanka . . ." Die modernen Medien ermöglichten den Menschen, die auf dem Boden schlafen müssten und für einen Dollar am Tag arbeiteten, den Blick in die ganze Welt. Dort würden sie dann sehen, wie die Menschen in den reichen Nationen leben oder "der Bundesbankpräsident in Saus und Braus . . ."

Eindringlich wies Welteke auf die Folgen der Bevölkerungsentwicklung hin. Indien habe heute einen Zuwachs von jährlich 19 Millionen Menschen und werde in zehn Jahren mehr Einwohner als China haben. In Deutschland gebe es ab 2010 einen Bevölkerungsrückgang. Einen "Megatrend" sieht der Bundesbankpräsident in der bevorstehenden Klimakatastrophe. Wenn da nicht sofort gegengesteuert werde, sei ein Anstieg der Meerespegel unvermeidbar. Und das mit unabsehbaren Folgen für das Zusammenleben der Menschen. Schließlich müssten die meisten aus den Bereichen der Flussmündungen in höhere Regionen umsiedeln.

In der Diskussion spielte natürlich das aktuelle Thema die Hauptrolle. Welteke wich keiner Frage aus, räumte Fehler ein und zeigte Verständnis dafür, dass Normalverdiener für solche Vorgänge kein Verständnis hätten. Betroffen äußerte er sich über die teilweise undifferenzierte Berichterstattung in manchen Medien. Da würden Falschmeldungen ungeprüft übernommen und weiter verbreitet. Der Druck in der vergangenen Woche sei enorm gewesen. Man sage ihm aber nach, dass er "Nerven wie Bandnudeln" habe. Und: "Man muss den Mund halten, wenn man etwas nicht beweisen kann." Mehr war ihm zu möglichen Hintergründen der Kampagne gegen ihn nicht zu entlocken.

Und etwaige Rücktrittsforderungen der Regierung an ihn haben den Bundesbankpräsidenten bislang offiziell nicht erreicht, sagte Welteke auf eine entsprechende Frage unserer Zeitung: Seit der ersten Veröffentlichung dieser sogenannten Affäre hat zumindest bis Samstagabend kein Mitglied der Bundesregierung oder ein beauftragter Vertreter ihn zu dieser Angelegenheit befragt.

Im Saal - durchaus parteipolitisch gemischt besetzt - kam der Auftritt von Ernst Welteke an. Zum Abschluss ist der Applaus kräftig und herzlich. Klaus Wende, als Vorstandsmitglied der Kreissparkasse in Bankangelegenheiten bestens bewandert, bringt es gegenüber unserer Zeitung auf den Punkt: "Es war gut, dass er die veröffentlichten Vorwürfe so relativiert hat."

Honorar gab es übrigens nicht. Statt dessen zwei Flaschen Wein und viele gute Wünschen für einen erleichtert wirkenden Bundesbankpräsidenten . . . Michael Maurer

 Weiterer Bericht zu dieser Veranstaltung


Ortsbürgermeister Horst Peuter (links) begrüßte Bundesbankpräsident Ernst Welteke und dessen aus Alterkülz stammende Ehefrau Bettina Wieß im Gemeindehaus, wohin der "politische Dämmerschoppen" wegen der gestiegenen Besucherzahl verlegt worden war.  Foto: Michael Maurer


Sparte in seinem informativen und unterhaltsamen Vortrag zur Wirtschafts- und Finanzlage nicht mit Selbstironie: Bundesbankpräsident Ernst Welteke.  Foto: Werner Dupuis


Rhein-Hunsrück-Zeitung vom 13.04.2004, Seite 9.

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