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Rhein-Hunsrück-Zeitung vom 13.04.2004

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"Er ist kein raffgieriger Luxusbanker"

Bundesbankpräsident Ernst Welteke im Hunsrückdorf Alterkülz: "Ich bin nicht fehlerfrei" - Keine Rücktrittsforderung der Regierung erhalten

Keinem widmeten die Medien in jüngster Zeit so viele Schlagzeilen und Sendeminuten wie ihm: Bundesbankpräsident Ernst Welteke. Und die Meldungen waren alles andere als positiv. Noch nie haben einige Hotelnächte eines Prominenten mit Familie ein solches Echo ausgelöst. Und der Betroffene geht in die Offensive - stellt sich im Hunsrückdörfchen Alterkülz der Öffentlichkeit: "Fehler ja. Rücktritt? Weiß ich noch nicht." Eine entsprechende Aufforderung der Bundesregierung hat er jedenfalls nicht bekommen.

ALTERKÜLZ. Eigentlich hätte es ein ganz normaler kommunalpolitischer Dämmerschoppen im gemütlichen Dorfgasthaus mit einem prominenten Gast werden sollen. Seit Wochen geplant vom SPD-Ortsverein Kastellaun. Bundesbankpräsident Ernst Welteke spricht am Ostersamstag zur Finanz- und Wirtschaftspolitik - in Alterkülz, dem Heimatort seiner Ehefrau Bettina Wieß. Und noch zwei Tage zuvor bestätigt er Vorstandsmitglied Siegrid Gockel telefonisch den Termin: "Natürlich komme ich - wenn Ihr mich noch wollt."

Privat ist er zwar öfter im Hunsrück, sein letzter offizieller Auftritt liegt aber fünf Jahre zurück, stellt Ortsbürgermeister Horst Peuter fest, als er den Gast im Gemeindehaus begrüßt, wohin die Veranstaltungen wegen des steigenden Besucherinteresses kurzerhand verlegt worden ist. Unmissverständlich sagt der Bürgermeister seine Meinung zur aktuellen Diskussion: "Ich habe Ernst Welteke in Alterkülz nicht als raffgierigen Luxusbanker erlebt." Peuter lobt seine Bodenständigkeit, Welteke sei "ganz natürlich und volkstümlich". Mehrere tausend Euro habe er in den vergangenen Jahren an Alterkülzer Vereine und Einrichtungen gespendet.

20 Minuten Vortrag sind angekündigt - 45 Minuten wird Ernst Welteke referieren - äußerst informativ, unterhaltsam und teilweise sehr persönlich in eigener Sache. 70 Minuten Diskussion folgen - viele Wortbeiträge sprechen dem 61- Jährigen Mut zu, keine negative Kritik, keine Rücktrittsforderung - Balsam für die Bundesbankpräsidenten-Seele.

Reichlich Selbstironie

Als Bundesbankpräsident sei er parteipolitisch neutral, deshalb habe er auch keiner Parteiveranstaltung, sondern einem politischen Dämmerschoppen seine Teilnahme zugesagt. Und Welteke spart im gesamten Verlauf seines Vortrages nicht an Selbstironie. "Das mache ich heute übrigens zum ersten Mal - und vielleicht auch zum letzten Mal." Seine Herkunft aus der Sozialdemokratie (ein Parteiaustritt komme auch nach einem eventuellen Rücktritt vom Amt überhaupt nicht in Frage, wird er später sagen) will er nicht verleugnen. Seinen Versprecher, dass er das Vertrauen vieler Sozialdemokraten im "Amt des Bundespräsidenten" habe, korrigiert Ehefrau Bettina Wieß in der ersten Reihe ganz schnell in "Bundesbankpräsident". Und Ernst Welteke gibt unumwunden zu, in den vergangenen Tagen so stark unter dem öffentlichen Druck gestanden zu haben, dass er um Verständnis für mögliche Versprecher bitte. Applaus im Saal.

Getroffen habe ihn der Vorwurf mancher Medien, er habe die Bodenhaftigkeit verloren. "Dem kann ich sicher hier in Alterkülz begegnen. Ich bin nicht frei von Fehlern. Das habe ich heute einzugestehen." Zu den erhobenen Anschuldigungen habe er sich aber nichts vorzuwerfen. Und nach seinem Vortrag zur Finanzlage der Wirtschaft ist natürlich der Jahreswechsel 2001/2002 und der Hotelaufenthalt im Berliner "Adlon" das Thema. Welteke schildert ruhig die Rahmenbedingungen. Im Jahr der Währungsumstellung habe die Bundesbank unter größtem Druck gestanden. Viele hätten Misserfolge vorhergesagt. Dann schließlich der Termin. Silvester. Die Dresdner Bank sei als Unternehmen mit der Ausrichtung der offiziellen Veranstaltung beauftragt worden. Und er habe der Einladung nach Berlin zur offiziellen Euro-Feier im Hotel Adlon zugesagt, da es keine anderen größeren Veranstaltungen gegeben habe und "unter der Voraussetzung, dass der Finanzminister teilnimmt. Da habe ich mich leider nicht darum gekümmert, was es kostet und wer das bezahlt." Er sei mit Frau und Kind (damals drei Jahre alt) auf private Kosten nach Berlin geflogen. Wegen der bevorstehenden Silvesterknallerei habe er sich für eine Vertrauensperson als Aufsicht entschieden - seinen erwachsenen Sohn "mit Freundin ja, aber nur für zwei Nächte, nicht für vier, wie ständig veröffentlicht wird".

Als Honorar verstanden

Er habe am Silvester- und Neujahrstag Interviews, Fototermine, einen Vortrag und Pressegespräche absolviert. "Das war ein Arrangement der Dresdner Bank, und ich habe die Einladung ins Adlon als eine Art Honorar und nicht als Geschenk empfunden." Welteke weiter: "Wenn ich gewusst hätte, dass es so teuer ist, hätte ich dort sicher nicht übernachtet." Und dann wieder die Ironie: Er müsse aber im Nachhinein kritisieren, dass die Dresdner Bank da keinen Rabatt ausgehandelt habe . . .

Und Welteke legt noch eins drauf: Er habe in dieser ganzen Zeit auf den ihm zustehenden Personenschutz verzichtet. Im "Falle Adlon" wären das vier Leibwächter und zwei gepanzerter Fahrzeuge samt Fahrer gewesen. Die vergangene Woche habe ihn erhebliche Nerven gekostet, gibt er zu. Und sein Verhalten (die Adlon-Kosten hat er übrigens am Tag der ersten Veröffentlichung an die Dresdner Bank überwiesen) sehe er durch die öffentliche Meinung nun durchaus kritisch. "Bei uns wird jeder Mitarbeiter entlassen, wenn er nur einen Zehn- Euro-Schein einsteckt. Ich gebe gerne zu, dass mir das Unterschreiben der nächsten Entlassungsurkunde sehr schwer fallen wird."

Dann wieder der Mediendruck. Zurzeit beantworte er wegen der Ermittlungen ohnehin nur Fragen zu Themen, die öffentlich bekannt sind. Und dann wird doch wieder veröffentlicht, er habe sich 2001 auf den Wiener Opernball einladen lassen. Falsch. Da war Welteke in Sachen Europäische Zentralbank unterwegs. Opernball Wien war 2000. Und den einladenden Gouverneur der österreichischen Nationalbank, habe er ein Jahr später zu einer deutschen Festveranstaltung eingeladen. Der Bundesbankpräsident auf seine Art: "Wir waren damals wienerisch untergebracht. Unsere Gäste frankfurterisch. Und ich muss sagen, ich habe mich geschämt."

Viel Zustimmung erntet der Bundesbankpräsident aus dem Publikum. Wenngleich er sich mit Bewertungen oder Ursachenforschung zum jetzigen Zeitpunkt zurück hält. Eines lässt er sich zu den vielfach publizierten Rücktrittsforderungen entlocken: Zumindest bis Samstagabend hatte ihn kein Mitglied der Bundesregierung oder ein Beauftragter zu dieser Angelegenheit befragt.

Ernst Welteke zum Abschluss: "Ich bedanke mich für den Abend und hoffe, dass wir uns in der ein oder anderen Funktion mal wiedersehen." Spricht's und nimmt sich anschließend viel Zeit für ein Bier und einen Plausch mit "ganz normalen Hunsrückern", die die Probleme eher bei den "Herren Ackermann und Esser" sehen. Michael Maurer

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Bundesbankpräsident Ernst Welteke (rechts) mit Gattin Bettina Wieß im Hunsrückdorf Alterkülz.  Foto: B. Dupuis


Rhein-Hunsrück-Zeitung vom 13.04.2004, Seite 6.

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